Interview mit Harald Andrae, externer TPM-Koordinator bei SMLP
                
TPM= Total Productive Mantainence
                Ohne die Leute geht es nicht
                Interview: Stefan Berg                                              
                TPM-Zertifizierung bei SMLP
                 
                SZI:
   Herr Andrae, SMLP hat  als bedeutender Röhrenproduzent vor gut einem Jahr beschlossen, sich durch das  TPM Institute zertifizieren zu lassen. Was ist eigentlich TPM, was bedeutet es  für SMLP und wie läuft das Projekt?
                Andrae:
                   TPM (Total Productive  Maintenance) ist eine systematische Vorgehensweise zur ständigen Verbesserung  der Betriebsanlagen unter aktiver Mitarbeit aller Mitarbeiter.
                  Ziel ist es, keine ungeplanten Stillstandszeiten, keine  durch die Anlagen verursachten Defekte und keine Verluste durch  Anlagengeschwindigkeit zu erreichen.
                  Da dem Unternehmen  ungeplante Ausfälle viel Geld kosten, hat sich  das Unternehmen SMLP entschlossen, ein mehrjähriges Projekt aufzulegen, dass  mit der abschließenden Zertifizierung durch das International TPM Institute,  USA, schließt.
                  Wir haben in den ersten Bereichen die 1. Auditstufe, die die  Themen Ordnung und Sauberkeit, systematische Wartungsaktivitäten mit Erstellung  und Pflege der Wartungskarten und Dokumentation der Maßnahmen zum Inhalt hatte,  erfolgreich bestanden und gehen jetzt mit Volldampf die nächsten Schritte an.  Stufe 2 beinhaltet schwerpunktmäßig die vorbeugende Instandhaltung/Wartung und  die Optimierung der Rüstvorgänge.
                SZI:
                   Was unterscheidet  denn dieses Vorgehen von anderen  ständigen Verbesserungsanstrengungen, die unter den Überschriften KVP oder  Kaizen bekannt geworden sind?
                Andrae:
                   SMLP fängt ja nicht bei Null an. Wir haben  schon seit Jahren unter Einbeziehung aller Mitarbeiter und Führungskräfte eine  Kampagne Qualitätsoffensive gestartet, die zum Inhalt hat, alle Mitarbeiter  aktiv an Verbesserungen zu beteiligen. Unter dem Slogan 5P (Personal, Prozesse,  Produkte, Partner, Profit) versammeln wir in den verschiedenen Betriebsbereichen  Mitarbeiter, die aktiv an Projekten arbeiten, die die Verbesserung der Anlagen  zum Ziel haben. Das Unternehmen hat in den letzten Jahren schon sehr große  Erfolge, die zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen, der Anlagenverfügbarkeit  und nicht zuletzt zu Kostenersparnissen geführt haben, erzielt. Auf dieser schon  selbstverständlichen gelebten Unternehmenskultur setzt TPM auf und nur dadurch  konnte zügig die 1. Auditstufe erfolgreich bewältigt werden.
                  Die neue Qualität von  TPM sehe ich darin, dass ein sehr systematischer und tiefgehender Ansatz  gewählt wird. In der Vergangenheit haben wir auf „der Erscheinungsebene“  relativ offensichtliche Fehler ermittelt, analysiert und abgestellt. Dadurch  war eine gewisse Beliebigkeit gegeben. Durch TPM gehen wir viel mehr in die  vorbeugende Fehlervermeidung. Darin sehe ich den wesentlichen Qualitätssprung.  Dieses systematische Vorgehen verlangt natürlich enormen Ressourceneinsatz, von dem man am Anfang natürlich noch nicht genau  weiß, ob er sich lohnt. Durch systematische und gründliche Machbarkeitsstudien  wird dieses Risiko jedoch begrenzt. Die bisherigen Ergebnisse der Arbeit, die  natürlich nicht frei von Konflikten  ist – fehlen doch zuweilen die Zeit und die personellen Ressourcen für z.T.  aufwändige Verbesserungsmaßnahmen – bestätigen jedoch diese gründliche und  systematische Vorgehensweise. 
                SZI:
                  Was ist denn genau ihre Rolle in  diesem Prozess?
                Andrae:
                  Durch meine langjährige Moderatorentätigkeit der 5P-Projekte  kenne ich alle Prozesse im Unternehmen und genieße das Vertrauen der  Mitarbeiter und Führungskräfte. Erfolgreiche Arbeit fällt ja nicht vom Himmel  und Akzeptanz eines externen Beraters beruht ja nicht allein auf purer  Sympathie sondern ergibt sich aus gemeinsamem Erfolg! Diese Akzeptanz befähigt  mich, bei auftretenden Problemen in Teamsitzungen zu konstruktiven Lösungen zu  kommen.
                  Meine Kernaufgabe ist es, das Projektmanagement so streng  einzuhalten, dass bei Abweichungen das Ziel nicht aus dem Auge verloren wird. Da  es keinen freigestellten internen Projektleiter TPM im Unternehmen gibt, ist  die externe Unterstützung sinnvoll und zielführend.
                  Ein unschlagbarer Vorteil eines Externen ist es natürlich,  dass er weniger betriebsblind ist und Erfahrungen aus anderen Bereichen  einfließen lassen kann und auch eher in der Lage ist, auf Schwachstellen  hinzuweisen. Bei bestimmten „Beziehungsthemen“ ist es sogar besser, einen  Externen mit der „Konfliktbearbeitung“ zu betrauen, da er ja nicht Kollege ist.  Dies erfordert natürlich ein professionelles Beraterverständnis, das sich stark  von der Rolle „Everybody’s darling“,  das leider in der Beraterszene aus nachvollziehbaren Gründen vorhanden ist,  unterscheidet.  
                  Die Gratwanderung zwischen externem Berater und aktivem  Umsetzer haben wir bisher sehr gut bewältigt, indem wir eine systematische  Feedbackschleife zur Geschäftsführung eingerichtet haben, die in sogenannten  Milestonemeetings kritisch die geleistete Arbeit reflektiert und gfls.  Korrekturmaßnahmen vornimmt. Dass neben diesen strukturellen meetings ein  ständiger Kommunikationsfluß zur Werks- und Geschäftsführung besteht, ist  selbstverständlich. Dass nicht über jeden „Pippifax“ eine Besprechung  abgehalten wird, ist Ausdruck einer stabilen Vertrauenskultur, auf die das  Unternehmen stolz sein kann und die die Grundlage für eine erfolgreiche  Zukunftsbewältigung ist 
                SZI:
                  Sie haben schon deutlich zur Rolle eines externen Beraters  Stellung genommen, können Sie noch einmal prägnant erklären, welches ihr  Rollenverständnis ist und wie es sich von  Anderen unterscheidet?
                Andrae:
                  Das Bedürfnis nach Nestwärme, Harmonie und Sympathie darf  ich mir nicht vom Kunden bezahlen lassen sondern muss ich mir in meinem  privaten Umfeld holen. Der Kunde hat ein Recht darauf, dass ich meine ganze  Konzentration und Fokussierung auf die gemeinsam vereinbarten Ziele richte.  Dies ist auch in der konkreten Projektbearbeitung, die ja immer mit den  Mitarbeitern erfolgt, zu beachten. Dies erfordert ein Beraterselbstverständnis,  das sich nicht abhängig von der  Sympathie anderer macht, sondern die beste Lösung für das definierte Ziel  anstrebt.  Ich habe allerdings die  Erfahrung gemacht, dass ein klares Auftreten die Akzeptanz im  zwischenmenschlichen Bereich fördert. Wenn dann noch Fähigkeiten zur  Selbstkritik, eine Prise Humor und ein selbstverständlicher Respekt vor  Menschen vorhanden ist, kommt man nach meiner Erfahrung auch gut mit  Konfliktsituationen zurecht. Ich habe dafür ein Bild aus dem Sport: Wenn ich  1:0 zurück liege, fange ich nicht an rumzumeckern sondern entwickele einen  Ehrgeiz zusammen mit den anderen zu gewinnen.
                  Es gibt im Beratergeschäft noch eine grundlegende  Erkenntnis, die so banal ist, dass man sich kaum traut, sie auszusprechen: In  den meisten Fällen gibt es keine 100%ig richtige oder 100%ig falsche Lösung.  Meistens ist es so, dass es Argumente für diese oder jene Lösung gibt. Man muss  nur den Mut haben, diese Alternativen zu bewerten und dann eine Entscheidung zu  treffen auf die Gefahr hin, falsch zu liegen. Darin besteht ja auch der Reiz  und die Herausforderung unternehmerischen Denkens. Dass es dann Leute gibt, die  nach einem Misserfolg immer ganz genau wussten, wie die richtige Lösung  ausgesehen hätte, muss man hinnehmen und dem mit einem bewährten Kinderspruch  begegnen: „Vormachen!“ 
                SZI:
                  Wie geht’s denn jetzt weiter im  TPM-Projekt?
                Andrae:
                  Nachdem wir in den ersten Bereichen die 1. Auditstufe  erfolgreich bewältigt haben, gehen wir dort in die oben genannte 2. Stufe. Die  noch nicht auditierten anderen Bereiche lernen von  den Erfahrungen der auditierten Bereiche und bereiten sich gerade auf ihre  Erstauditierung vor. Man muss das Rad ja nicht zwei Mal erfinden. Wir haben das  Projektmanagement bewusst so angelegt, dass wir zeitversetzt arbeiten, um  Synergieeffekte zu erzielen. Dies kommt dem Anspruch einer „Lernenden  Organisation“ nahe und erfordert eine abteilungsübergreifende  Kommunikationskultur, die vorhanden ist und die besondere Stärke des  Unternehmens ausmacht. Hier zahlen sich die zurückliegenden Investitionen in  ein funktionierendes Miteinander aus.
                  2011 wollen wir dann die unternehmensweite Zertifizierung  erfolgreich bestanden haben und den durchgängigen Anspruch eines  „Weltklasseunternehmens“ erfüllen. Die Definition nach TPM ist, dass man einen  OEE (Overall Equipment Effectivness)=Verfügbarkeit*Effizienz*Qualität von höher als 85% erreicht hat und hält bzw.  verbessert.
                  Dies geht nur mit einem klugen Management, das klare  Anforderungen stellt und die notwendigen Ressourcen zur Verfügung stellt und  mit selbstbewussten, motivierten Mitarbeitern, die sich mit den  Unternehmenszielen identifizieren!
                SZI:
                  Herr Andrae, vielen Dank für das interessante Gespräch und  viel Erfolg weiterhin!